R-R Silver Cloud, S1-3 Series

 

Teil 1

Rolls-Royce Silver Cloud I und Bentley S- Series 1

Diese Modellreihe, die von allen Experten als eine der gelungensten aller jemals gebauten RR und B -Typen angesehen wird, feiert heuer ihren 50. Geburtstag.
Die Einführung der Baureihe erfolgte im April 1955 und ersetzte den RR Silver Dawn bzw. den Bentley R-Type. Bei ihrem Erscheinen 1955 wurden diese Modelle schlicht als Silver Cloud und S- Series bezeichnet. Die Zusatzbezeichnung Silver Cloud I bzw. S 1 wurde erst ab 1959 mit dem Erscheinen des Nachfolgemodells hinzugefügt.
Bereits 1951 begannen die Arbeiten am neuen Modell unter Chefingenieur Harry Grylls und Designer John Blatchley ( er feierte vor kurzem seinen 90. Geburtstag - siehe Bulletin May /June 2005). Der erste Prototyp erschien bereits 1952. Die Anforderungen, die man an das Entwicklungsteam stellte, betrafen mehr Innen- und Kofferraum, eine leichtergängige Lenkung und eine bessere Straßenlage im Vergleich zu den Vormodellen.
Betrachtet man einen Silver Cloud oder Bentley S- Series mit den Augen eines Enthusiasten im Jahr 2005, so ist tatsächlich in der Entwicklung ein Quantensprung feststellbar. Auch wir, die wir von den Fahrzeugen der Gegenwart bezüglich Leistung und Komfort verwöhnt sind, werden feststellen können, dass sich auch nach heutigen Maßstäben ein Silver Cloud bzw. das Bentley Schwestermodell sehr genussvoll und problemlos bewegen lassen. Im übrigen ist diese Baureihe die letzte mit separatem Chassis. Dadurch war es möglich, ein vom Werk geliefertes Fahrgestell mit einer Spezialkarosserie zu versehen. Doch auch mit der sogenannten Standardkarosserie ist John Blatchley ein wahres Meisterstück gelungen, verleiht sie doch durch ihre fließenden Linien und ausgewogenen Proportionen ein besonderes Maß an majestätischer Würde und Eleganz. ( Die Standardkarosserie wurde übrigens nicht im Werk selbst in Crewe gebaut, sondern bei Pressed Steel in Cowley bei Oxford , und als Rohkarosserie ins Werk geliefert.)
Der Silver Cloud I und der Bentley S 1 wurden von April 1955 bis Juli 1959 gebaut. Produktionszahlen in dieser Zeit :
Silver Cloud I 2238 Stück
S-Series 1 3072,
davon mit Sonderkarosserien 
Silver Cloud I 121 Stück
S-Series 1 135
von folgenden Karosseriefirmen:

H.J. Mulliner & Co Ltd.
James Young Ltd.
Hooper & Co Ltd.
Freestone & Webb Ltd. 
Park Ward & Co Ltd.

Darunter befinden sich verschiedene 4türige Limousinen und das besonders rare und begehrte 2türige Cabriolet.
Eine Sonderstellung bei den Spezialaufbauten nimmt die von November 1957 an lieferbare Langversion ein, die von Park Ward gebaut wurde. 121 Rolls-Royces und 35 Bentleys wurden in dieser Version gebaut, die allermeisten davon mit Trennscheibe hinter dem Fahrersitz.

 

Teil 2

Rolls-Royce Silver Cloud I und Bentley S- Series 1
und deren Bauteile
.

Wir beginnen mit dem Motor : Hierbei handelt es sich um die letzte ( und größte) Version des sogenannten B 60 Motors, der erstmalig nach dem Zweiten Weltkrieg in den Modellen Bentley MK VI, R-Type und RR Silver Wraith bzw. Silver Dawn verwendet wurde, zuerst mit 4257 ccm ( Bohrung 88,9 mm, Hub 114,3 mm), dann ab Juli 1951 mit 4566 ccm ( Bohrung 92,1 mm, Hub 114,3 mm). Im Silver Cloud I und Bentley S- Series 1 schließlich beträgt der Hubraum 4887 ccm ( Bohrung 95,25 mm, Hub 114,3 mm) und die Verdichtung 6,6 : 1 .
Leistung und Drehmoment wurden bekanntlich nicht angegeben. Interessant ist bei diesem Motor die Art der Ventilsteuerung. Die Engländer bezeichnen einen derartigen Motor als I O E engine ( inlet over exhaust ), denn er verfügt über hängende Einlassventile und stehende Auspuffventile. Dieser Anordnung schrieb man ein besonders fülliges Drehmoment schon bei niedrigen Drehzahlen zu ( wurde auch von anderen Herstellern angewendet, z.B. Rover P 4 und P 5 Sechszylinder). Der Antrieb der Nockenwelle erfolgt durch Stirnräder. Auch hierbei hielt man sich an die Werkstradition, denn Sir Henry Royce hatte eine Abneigung gegen Kettenantriebe.

Vergaser : Zunächst kamen 2 SUHD 6 mit automatischer Kaltstartvorrichtung zum Einsatz ( aktiviert durch völliges Niedertreten des Gaspedals beim Kaltstart ).
Produktionsänderungen : Ab Herbst 1957 wurde die Kompression auf 8 : 1 erhöht, die Einlassventile vergrößert und auch größere Vergaser verwendet ( SUHD 8 ). Diese Maßnahmen führten zu einer spürbar gestiegenen Leistung ( geschätzte 10 - 15 % ).

Worauf sollte man nun achten, um diesem als sehr langlebig geltenden Triebwerk die bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen, besonders wenn ein solches Fahrzeug erst erworben wurde ?

Ölwechsel : sollte zugleich mit einem Wechsel des Ölfilters erfolgen ( der Ölfilter ist übrigens bei allen 3 Silver Cloud- Baureihen bzw. beim Silver Shadow I gleich, nur der Dichtring ist anders, es sind jedoch beide Dimensionen beigepackt.) Das Ölfiltergehäuse sollte peinlichst gereinigt werden. Als Motoröl genügt ein Markenöl 15 W 40, keinesfalls Syntheseöl !
Übrigens : Kontrollieren Sie den Ölstand immer mit dem Ölmessstab und verlassen Sie sich nicht auf die Ölstandsanzeige in der Benzinuhr, die per Knopfdruck zu betätigen ist.
Probleme mit schlechtem Öldruck sind bei gut gepflegten Exemplaren sehr selten, eine zu geringe Anzeige am Ölmanometer wird fast immer durch einen fehlerhaften Geber verursacht.
Wenn das Motoröl kurze Zeit nach dem Ölwechsel bereits sehr verschmutzt ist, sollte man beim nächsten Ölwechsel die Ölwanne abnehmen ( beim 6-Zylinder relativ einfach durchzuführen) und gründlich reinigen. Jahrzehntelange Ablagerungen sind oft sehr hartnäckig und mühsam zu entfernen. Bei langen Überlandfahrten sollte bei jedem Tankstopp der Motorölstand kontrolliert werden, denn ein gewisser Ölverbrauch ist bei diesen Motoren durchaus normal.
Wichtig ist ferner eine genaue Kontrolle bzw. Einstellung des Ventilspiels. Für die Einlassventile ist das sehr einfach, denn sie sind nach Abnahme des Ventildeckels bestens zugänglich.

Anders ist die Situation bei den Auspuffventilen. Diese sind nicht so gut zugänglich. Nach Abnahme der beiden Seitendeckel hinter bzw. unter den Auspuffkrümmern kann man dort die nötigen Einstellungen vornehmen. Dazu braucht man außer 2 Gabelschlüsseln noch ein Spezialwerkzeug, die sogenannte "locking plate", die ab Werk dem Werkzeugsatz ( links hinten im Kofferraum) beigegeben war. Die Einstellung erfordert etwas Geschick, man arbeitet teilweise ohne direkte Sicht. - Aus allen diesen Gründen wurde diese Arbeit meist immer wieder aufgeschoben bzw. ausgelassen. Umso wichtiger ist daher eine genaue Kontrolle bzw. Einstellung.
Unerlässlich für einen problemlosen Betrieb ist natürlich auch eine korrekte Einstellung von Zündung und Vergasern. Die Werte für die Zündungseinstellung ( wie übrigens auch das Einstellen des Ventilspiels) sind im Handbuch genau beschrieben. Dieses sollte in keinem Fahrzeug fehlen, weil hier ( anders als bei modernen Fahrzeugen) technische Informationen anschaulich dargeboten werden.
Eine gute Idee ist es natürlich auch, den Kühler auf Dichtigkeit bzw. ausreichenden Durchgang zu prüfen. Das gilt übrigens auch für den Motorblock, der rechts hinten einen eigenen Ablasshahn besitzt. Wenn nach dem Öffnen ( natürlich bei kaltem Motor) zunächst überhaupt kein Kühlwasser austritt, dann haben die Ablagerungen bereits ein Maß erreicht, das zu Überhitzung mit allen fatalen Folgen führen kann. Mehrere Spülgänge sind dann nötig, und abschließend sollte das Kühlsystem ( auch im Sommer) mit Frostschutz aufgefüllt werden, um auch entsprechenden Korrosionsschutz im Inneren des Motors zu erreichen.

Worauf sollte man noch achten ?
Bedingt durch den großen Ölinhalt des Motors erwärmt sich das Motoröl nach dem Kaltstart langsamer als bei heutigen Autos. Die Warmfahrphase erstreckt sich daher, je nach Außentemperatur, über mehrere Kilometer.
Bei Erneuerung von Komponenten der Auspuffanlage sollte auf völlig spannungsfreien Einbau des gesamten Auspuffsystems geachtet werden. Die Auspuffkrümmer verspröden im Lauf der Jahre und können dann leicht reißen oder brechen.
Wichtig ist auch ein korrekter Eingriff des Starters, weil sonst der Starterkranz beschädigt werden kann ( dieser ist erhältlich, aber teuer).

Generell kann man jedoch sagen, dass diese Motoren - obwohl nun fast 50 Jahre alt - bei entsprechender Wartung und vernünftigem Betrieb sicher zu den robustesten und zuverlässigsten in der gesamten Oldtimerszene gehören.

 

Teil 3

Rolls-Royce Silver Cloud I und Bentley S- Series 1
Aggregate der Kraftübertragung

Zunächst ein Techniktipp: Die Sechszylindermotoren dieser beiden Modelle springen nach kurzen Stehzeiten recht willig an. Nach längeren Stehzeiten (eine Woche und darüber) sind sie beim Erststart recht unwillig. Dieser Umstand war offenbar auch dem Werk bewusst, denn beide Vergaser verfügen - ähnlich wie die meisten Motorräder der Nachkriegszeit- über die Möglichkeit, die Schwimmerkammern zu fluten, natürlich bei eingeschalteter Zündung, damit die Benzinpumpe nachfördern kann. Ich selbst verwende allerdings einen Starthilfespray, um den Starter möglichst zu schonen ( der Starterkranz ist jetzt wieder erhältlich, aber extrem teuer).

Wie bereits angekündigt, wird heute die Kraftübertragung dieser beiden Modelle kurz besprochen.
Getriebe : Nur ganz wenige Exemplare wurden noch ( auf besonderen Kundenwunsch) mit dem handgeschalteten Getriebe ausgerüstet, wie es beispielsweise bei den Vormodellen Verwendung fand. Die Normalausführung des Getriebes war eine von Rolls-Royce abgeänderte und produzierte Form des GM Hydramatic. 
Dieses Automatikgetriebe verfügt über 4 Vorwärtsgänge, die von der Lenksäule geschaltet werden. Die Abänderungen bestanden in einer Anpassung an Rolls-Royce /Bentley Standards und dem Antrieb des mechanischen Bremsservos (doch davon später). Der Wählhebel ist in einer Schaltkulisse geführt mit einem zusätzlichen Sicherungsknopf am Ende des Wählhebels. Dieser muss beim Schalten der Gänge unbedingt gedrückt gehalten werden. Man wollte damit das unbeabsichtigte Einlegen eines Ganges verhindern. Die Kontrolle des Automatikölstandes muss auch hier bei laufendem Motor erfolgen. Dazu muss der Teppich und eine eventuelle Filzunterlage im Fußraum der Vordersitze entfernt werden. Die Einfüllöffnung mit dem Messstab ist dann unter einem großen Gummistopfen zu finden.
Im Normalfall arbeiten diese Getriebe relativ problemlos, wenn auch mit deutlich merkbaren Schaltstößen (besonders beim Hochschalten vom 2. auf den 3. Gang). Eine weitere Eigenart besteht darin, dass beim Bergauffahren das Getriebe sehr spät zurückschaltet. Es ist daher empfehlenswert, in einem solchen Fall von Hand zurückzuschalten. Übrigens gibt es im Handbuch eine ausdrückliche Empfehlung, in solchen Fällen das Getriebe von Hand z u schalten. 
Eine effiziente Reparatur dieses Getriebetyps kann sicher nicht von einem noch so ambitionierten Mechaniker durchgeführt werden. Der Club empfiehlt jedoch Spezialbetriebe in England, die diese Getriebe fachgerecht reparieren.
Bei der Kardanwelle ist zu beachten, dass die Kreuzgelenke regelmäßig abgeschmiert werden und kein Spiel aufweisen. Außerdem sollte man dem federnd gelagerten Mittellager Aufmerksamkeit schenken.
Das Differentialöl sollte regelmäßig gewechselt werden. Dies scheint leider bei einer erheblichen Anzahl von Fahrzeugen nicht zu geschehen. In etlichen Fällen musste ich bei einer Besichtigung Ölschlamm im Differentialgehäuse feststellen. Das gelegentliche Kontrollieren und Auffüllen des Ölstandes genügt sicher nicht ! Übrigens ist ein leichtes Laufgeräusch - vor allem im Schiebebetrieb- noch nicht beängstigend.

 

Teil 4

Rolls-Royce Silver Cloud I und Bentley S- Series 1
und deren Bauteile.

 

Dieser Beitrag befasst sich mit dem Bremssystem dieser Modelle.
Abgesehen von einigen Exemplaren besitzen die Fahrzeuge dieses Typs ein Zweikreisbremssystem, das jedoch einige Besonderheiten aufweist.
Wenn man den rechten Teil der Motorhaube öffnet, sind die beiden gläsernen Bremsflüssigkeitsbehälter zu sehen.
Diese versorgen zwei über einander liegende Hauptbrems- zylinder unterschiedlicher Abmessung, die sich etwa in Wagenmitte befinden. Diese aktivieren dann die Radbremszylinder der 4 Trommelbremsen. Die Verstärkung der Brems-kraft erfolgt -wie bei Rolls-Royce Tradition seit Vorkriegszeiten- über einen mechanischen Bremsservo. Er befindet sich an der rechten Seite des Getriebes, funktioniert nach dem Prinzip einer Rutschkupplung und aktiviert beim Betätigen des Bremspedals den Hauptbrems-
zylinder für die Vorderräder. 
Bedingung ist jedoch, dass sich die Hinterräder drehen, der Wagen also zumindest rollt. Daher muss man Folgendes wissen:
1) Es ist nicht möglich ,die Bremsleistung der Vorderräder auf einem Rollenprüfstand zu testen, weil sich ja dabei die Hinterräder nicht drehen. Die Bremsleistung kann daher nur durch ein Verzögerungsmessgerät während einer Messfahrt festgestellt werden.
2) Beim Wechsel der Bremsflüssigkeit und Entlüften der Bremsanlage muss der Haupt-
bremszylinder von unten manuell betätigt werden.
3) Bei sehr langsamer Fahrt erfolgt das Ansprechen der Bremse mit einer zwar kurzen,
doch ungewohnten Verzögerung. Daher ist es ratsam, beim Manövrieren -besonders 
bei beengten Raumverhältnissen - die Handbremse zu Hilfe zu nehmen. Bei vielen Fahrzeugen dieses Typs weisen die leicht eingedellten Stoßstangenhörner auf diese Eigenart des Bremssystems hin.

Zum Abschluss noch ein Tipp : Bei Neuübernahme eines dieser Fahrzeuge sollten alle 4 Bremsen auf Freigängigkeit sowie Abnützung der Bremsbeläge genau geprüft werden. Man sollte auch darauf achten, die Bremstrommeln in gutem Zustand zu erhalten. Ersatz ist in guter Qualität wohl erhältlich, doch recht kostspielig. Ebenso ist es wichtig, beim Bergabfahren - vor allem von langen Gefällen - die Bremswirkung des Motors zu nützen, die im 2. Gang sehr wirkungsvoll ist.

 

Teil 5

Rolls-Royce Silver Cloud I und Bentley S- Series 1
und deren Bauteile.

Unser TECHNIKBEITRAG ist dieses Mal dem Rahmen und der Karosserie des Rolls-Royce Silver Cloud I und des
Bentley S 1 gewidmet.

Wie allgemein bekannt, ist diese Baureihe die letzte dieser Marken mit separatem Chassis und
aufgesetzter Karosserie. Daher finden sich neben den Standardkarosserien auch noch etliche
Spezialkarosserien von namhaften Karosseuren (z.B. Hooper, James Young, Freestone &Webb).
Bei H.J.Mulliner wurde -da bereits zu Rolls-Royce gehörend - eine kleine Anzahl von Lang-
versionen ( meistens mit Trennwand) und eine kleine Zahl Cabrios gebaut.
Der Rahmen wurde von John Thompson Motor Pressings hergestellt und bereitet im Allge-
meinen wenig Probleme. Korrosion findet sich öfters am rechten hinteren Rahmenausleger, unter-
halb des Batterierahmens. Bei stark fortgeschrittenem Rostbefall sind Reparaturteile dafür erhältlich.
Man sollte als Benützer eines solchen Fahrzeuges die Oberseiten der hinteren Rahmenausleger
genau beobachten, von Straßenschmutz befreien und regelmäßig mit Schutzwachs einsprühen, um
Korrosion möglichst zu vermeiden.
SC I und S 1 sind auch die letzten Modelle, die über eine Zentralschmierung verfügen. Diese
versorgt die Schmierstellen der Vorderachse und Lenkung. Der Vorratsbehälter im Motorraum sollte 
daher immer gut gefüllt sein und das Pedal dafür regelmäßig betätigt werden - am besten vor
Antritt einer Fahrt. Auch muss man darauf achten, dass alle Schmierstellen überhaupt versorgt werden.
Die Rohkarosse wurde von Pressed Steel Fisher in Cowley erzeugt und ins Werk nach Crewe trans-
portiert. Bereits bei der Produktion musste im Vergleich zu modernen, von Industrierobotern gefertigten
Fahrzeugen relativ reichlich Füllmaterial verwendet werden, um Ungleichheiten der Roh-
karosserie zu korrigieren.
Türen, Motorhauben und Kofferraumdeckel sind bei Standardkarosserien aus Aluminium
gefertigt und entsprechend stoßempfindlich. An der Karosserie selbst tritt Korrosion meist im 
Bereich der Begrenzungsleuchten auf den vorderen Kotflügeln und am hinteren Bereich der vorderen 
Kotflügel auf, dort, wo innen das Spritzblech angesetzt ist. Der an diesen Stellen abgelagerte
Straßenschmutz hält die Feuchtigkeit lange und sorgt da für Korrosion.
Ein besonderer Fall sind die vorderen Tragepunkte der Karosserie und der Schwellerbereich. 
Da es sich um einen komplex gebauten Schweller in Kastenprofil mit diagonalem Versteifungsblech handelt, sind Reparaturen zwar möglich ( Reparaturbleche werden von Spezialfirmen angefertigt), sollten aber nur von wirklich kompetenten Karosseriebetrieben durchgeführt werden.
Um potentielle Käufer vor einem Reinfall zu bewahren und Besitzer eines solchen Fahrzeuges
entsprechend kompetent zu beraten, hält unser Mutterclub in England jedes Jahr ein Technikseminar 
für diese beiden Modelle ab (für Mitglieder ist die Teilnahme gratis), um eine entsprechende Beratung sicherzustellen.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass diese Fahrzeuge in der Öffentlichkeit ein außerordent-
lich hohes Maß an Bewunderung genießen. Ein in Ordnung befindliches Fahrzeug ist - auch nach
heutigen Maßstäben - genussvoll zu bewegen und relativ anspruchslos in der Wartung und bereitet
dem Besitzer viel Freude.

 

 

 

Teil 6

Rolls-Royce Silver Cloud II und Bentley S- Series 2
und deren Bauteile

RR SC II , Bentley S 2 1959 - 1962

Gegen Ende der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts war klar, dass man, um konkurrenzfähig zu bleiben, eine kräftige Leistungssteigerung vornehmen musste. Die Älteren unter uns werden sich bestimmt an das damals übliche Wettrennen um mehr PS und höhere Geschwindigkeiten erinnern. Der unverwüstliche, doch mittlerweile in die Jahre gekommene 6-Zylindermotor war offenbar am Ende seiner Entwicklung angelangt. Man konstruierte daher einen völlig neuen Motor, der die gewünschte Leistungserhöhung und Steigerung der Fahrleistungen erfüllen konnte. Dieser neue Motor wurde in seiner Gesamtheit im Werk in Crewe entwickelt und gebaut. ( Es wird immer wieder die Meinung geäußert, der Motor sei aus Amerika bezogen bzw. dort konstruiert worden, ähnlich dem Rover P 5 B-
dies ist jedoch unrichtig.) Die Details dieses neuen Triebwerks etwas später.
Eine Frage, die oft an mich gestellt wird :
Wie kann ich von außen Cloud I ( S 1) und Cloud II ( S 2) unterscheiden ?
Auf den ersten Blick gleichen ja beide Modelle einander wie ein Ei dem anderen .Eines ist klar : Beim Öffnen der Motorhaube sieht man den Unterschied natürlich sofort.
Es gibt jedoch auch ohne Öffnen der Motorhaube einige kleine, von außen zu sehende Unterschiede :
Der Lenkradkranz ist bei Cloud II ( S 2) schlanker als beim Vormodell.
Der Blinkerhebel beim Cloud II ( S 2) befindet sich an der linken Seite der Lenksäule.
Cloud II ( S 2) besitzen in der Edelholzabdeckung unterhalb der Windschutzscheibe große rechteckige schwarze Belüftungsöffnungen, die mit verstellbaren Lamellen versehen sind.
Cloud II ( S 2) haben am Zündschloss einen anders geformten Lichtschalter ( wie die späteren Modelle).
Cloud II ( S 2) haben eine andere Betätigung der Heizung und Belüftung ( leicht geänderte Schalter, Betätigen des Heizventils und der Lüfterklappen durch elektr.. Stellmotore und nicht durch Unterdruck wie Cloud I ( S 1).
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Baureihen ist jedoch -wie gesagt - der Motor:
Jack Phillips und sein Konstruktionsteam in Crewe entschieden sich für einen 8-Zylinder-Vollalu-Motor
mit 6230 ccm, 104,14 mm Bohrung und 91,44 mm Hub, Verdichtung 8:1. Die Kurbelwelle besitzt 5 Hauptlager, die Nockenwelle wird über Stirnräder angetrieben ( Sir Henry Royce hatte eine Abneigung gegen Kettenantrieb.)
Die Ventile werden über hydraulische Ventilstössel, Stoßstangen und Kipphebel betätigt. Die Gemisch- aufbereitung übernehmen 2 SU Vergaser mit automatischem Choke und Drehzahlanhebung in der Kaltlaufphase. Kurz nach Einführung dieses Motors gab es Probleme bei Nockenwelle und Ventil-betätigung, diese wurden jedoch bald durch entsprechende Modifikationen behoben.
Heute kann man davon ausgehen, dass bei den noch in Betrieb befindlichen Modellen diese Modifikationen bereits durchgeführt sind.

Einige Tipps für Besitzer ( in spe) dieser Fahrzeuge :
Regelmäßige Ölwechsel + Filter (Ölinhalt ca. 8 l) , gutes Mittelklasseöl genügt ( 15 W 40 bzw. 20 W 50). Ölstand regelmäßig ( alle 300 bis 500 km) mit dem Messstab (!!) kontrollieren ( nicht auf die oft unrichtige Anzeige am Armaturenbrett vertrauen !) Ein gewisser Ölverbrauch ist normal. Leichter blauer Rauch im Schiebebetrieb bzw. beim Bergabfahren ist noch kein Grund zur Besorgnis ( die Ventil- schaftdichtungen sind Ringe aus asbestartigem Material, das einer gewissen Alterung unterworfen ist.)
Öldruckprobleme sind eher selten. Eine zu geringe Öldruckanzeige hat ihre Ursache oft in einem nicht mehr korrekt funktionierenden Öldruckgeber.
Kühlwasser muss immer Frostschutz ( für einen Alumotor geeignet) enthalten, um innere Korrosion zu vermeiden, und sollte öfters ( ca. alle 3 Jahre) gewechselt werden, dabei den Kühler und Block in kaltem Zustand durchspülen.
Um die Zündkerzen zu wechseln bzw. zu kontrollieren, muss auf der entsprechenden Seite das Vorderrad abgenommen und ein im Radhaus befindliches Reparaturblech entfernt werden.
Am Fahrgestell besteht die wesentliche Änderung darin, dass die Zentralschmierung der Lenkung und Vorderachse des SC I ( S 1) aufgegeben und durch entsprechende Schmiernippel ersetzt wurde.

Ich hoffe, Ihnen damit einige brauchbare Hinweise gegeben zu haben und verbleibe bis zum nächstenmal
Ihr
Mag. Helmut Goigner, Obmann

 

 

Teil 7

Rolls-Royce Silver Cloud III und Bentley S- Series 3
1962 -65

Die dritte Serie dieser Modelle ist -auch für Nichtfachleute- relativ leicht vom Vormodell zu unterscheiden:
Vorderansicht: Dem damals vorherrschenden Trend zu Doppelscheinwerfern konnte sich auch Rolls-Royce nicht verschließen. In der Ansicht von vorne fallen daher auf: Doppelscheinwerfer ; die bei den Vormodellen auf der Oberseite der Kotflügel angebrachten Begrenzungsleuchten wurden nun, gemeinsam mit den Blinkern, in die Vorderseite der Kotflügel integriert. Der Kühlergrill ist etwas niedriger , daher die gesamte Motorhaube etwas nach vorne abfallend. 
Neu gestaltet wurden auch die Stoßstangenhörner, die ähnlich aussehen wie die des nachfolgenden Silver Shadow, jedoch nicht mit diesem ident sind. Nur die in die USA gelieferten Modelle behielten die wesentlich größeren des Vormodells. Ein netter Stylinggag sind die kleinen verchromten Podeste, auf denen die Scheibenwischer in Ruhestellung aufliegen.
Hinteransicht : Die Rückleuchten sind etwas größer und tiefer, erstmals wurde auch eine Typenbezeichnung auf dem Kofferraumdeckel angebracht.
Im Fahrzeuginneren fallen folgende Änderungen auf :
Vorne Einzelsitze, die Oberseite des Armaturenbrettes wurde gepolstert und kleine Aschenbecher an den Ecken angebracht.
In technischer Hinsicht : Die Motorleistung wurde gegenüber dem Vormodell um ca. 7 % erhöht, jedoch nach wie vor nicht offiziell angegeben. 
Diese Leistungssteigerung erreichte man durch höhere Verdichtung und größere Vergaser ( SUHD 8).

Um den Wünschen vor allem der US- Kunden entgegen zu kommen, wurde die Servounterstützung der Lenkung erhöht. Dies führte und führt bei stärkerem Lenkeinschlag zu einem leichten Zittern in der Lenkung ( vor allem beim Einparken festzustellen). Die Heizleistung wurde nochmals verbessert und genügt durchaus auch modernen Ansprüchen. Klimaanlage gab es nach wie vor nur auf Sonderwunsch, der Aufpreis dafür war nicht zu knapp.

Abschlussbemerkung: 
Für viele Enthusiasten ist ein Modell dieser Baureihen eine ideale Mischung aus stilvollem und majestätischem Auftritt, der jedoch nicht zu Lasten des Fahrgenusses geht. Auch im modernen Verkehr wird man nicht das Gefühl haben, in einem nur mühsam zu bewegenden Oldtimer zu sitzen. Der gebotene Fahrkomfort muss -verglichen mit Fahrzeugen ähnlicher Baujahre -damals absolute Spitzenklasse gewesen sein, weil er auch heutigen Standards durchaus entspricht. Darüber hinaus besticht auch die Zuverlässigkeit und relative Anspruchslosigkeit in der Pflege, falls man ein gutes und ehrliches Exemplar erstanden hat und es entsprechend behandelt.

Eines möchte ich aber noch in aller Deutlichkeit sagen :
Sogenannte "Versteigerungsschnäppchen" können sich schnell zu einer finanziellen Katastrophe entwickeln. Wer immer an den Ankauf eines solchen Fahrzeugs denkt, sollte sich genau ansehen, von wem er kauft, und im Zweifelsfall am besten einen Fachmann beiziehen. Dadurch kann man ein eventuelles Risiko minimieren und sich vor Schaden bewahren.

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